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Denken Sie 30 Jahre weiter

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  • 05.07.2023
  • Quelle: Redaktion

Veränderungen sind wichtig, das wissen wir. Und doch verunsichert sehr vieles, das da scheinbar plötzlich auftaucht. KI zum Beispiel. Doch Moment, schauen wir mal genau hin.

Achtung, gleich ein Zitat zum Warmlaufen: „Eine wahrhaft intelligente KI wird sich vor allem für ebenbürtige KI interessieren, weniger für den Menschen“. Sagt Jürgen Schmidhuber. Jürgen wer? Ja, das ist die Sache mit der europäischen KI, deren Protagonisten hier zu Lande kaum bekannt sind, während all die US-Player in die Schlagzeilen drängen. Und sei es nur mit der Forderung nach einem KI-Moratorium – ein Ansinnen, das irgendwie nach PR-Kampagne schmeckt.

Doch zurück zu Schmidhuber. Er gilt als einer der wichtigsten "Väter" der KI-Forschung, leitet unter anderem das Forschungsinstitut IDSIA in Lugano, wo auch allerlei KI-beseelte Roboter umherhuschen. Jürgen Schmidhuber ist Wissenschaftler und eine Art Romantiker. In der NZZ am Sonntag sagte er neulich, ihn habe stets die Hoffnung getrieben, dass es „zu meinen Lebzeiten eine neue Sorte von Intelligenz geben könnte, die meine armselige übersteigt“. Demut oder Hybris? Egal, Schmidhuber scheint tiefenentspannt zu sein, was angesichts der allgemeinen (oft hysterischen) Auf- und Erregung rund um KI („Werden wir versklavt?“) auf besondere Weise entrückt. „Menschen werden irgendwann wohl nicht mehr die Wichtigsten sein, doch deswegen nicht verschwinden“. Haben Sie gerade gestockt? Nochmals gelesen? War da was? Vielleicht lässt Sie dieser Satz ja komplett entgeistert, vielleicht auch empört zurück. Es lohnt sich, zwei-, ja dreimal über einen Satz wie diesen nachzudenken. Aber bitte nicht am Schreibtisch, nicht, wenn der Alltag nagt. Nehmen Sie sich das Zitat, gehen sie raus, in den Sonnenuntergang, wenn die Sterne (hoffentlich) herauskommen, schauen Sie auf und lesen Sie ihn nochmals. Und?

So, jetzt aber wieder zurück auf den Boden. Dorthin, wo all die generativen KI-Modelle warten, quengeln, rechnen, sich irren, halluzinieren, vordergründig tolle Bildwelten, Texte, Sprache, Musik erzeugen. Das ist die eine Seite der KI, die wirkmächtigste und sichtbarste. Aber es ist eben nur eine Seite. Denn ebenso groß ist das Potenzial an anderer Stelle innerhalb des Designprozesses. Unterstütztes Entwerfen – ja, ok. Aber wie wäre es mit Support bei der Recherche nach besseren, vielleicht kreislauffähigeren Werkstoffen? KI könnte Ökobilanzen in Echtzeit rechnen und Konzepte priorisieren, also unterstützen, die Dinge besser, zukunftsfähiger, gerechter, nachhaltiger zu machen. KI kann in der Medizin enormes leisten – von der Diagnose über die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Therapien. Die Pflege wird ohne KI-Assistenz künftig nicht mehr leistbar sein, sagen Experten – eine enorme Herausforderung, gerade für das Design, sozial agierende Roboter zu entwerfen.

Es wäre fatal verkürzt, nur den Entwurfsprozess zu fokussieren und da zu verharren. Der Blick muss jetzt schon weiter gehen, Design war immer eine Querschnittsdisziplin, die verbindet. Das wird auch in Sachen KI so sein. Was es dafür braucht: Kompetenzen natürlich. Das heißt: Alles lesen über KI, den Kontakt zu Forscher*innen suchen, an Forschungsprojekten teilnehmen, diskutieren, weiterbilden. Und bitte: sprechen wir auch über Ethik, Design-Verantwortung, über das Morgen.

Das Versprechen, das KI macht, ist groß. Genauso riesig sind die ökonomischen und politischen Begehrlichkeiten – nicht nur in Silicon Valley. Um nochmals Jürgen Schmidhuber zu zitieren: „Denken Sie einfach an die Fortschritte der letzten dreißig Jahre. Jetzt denken Sie an die nächsten dreißig Jahre“. Design kann das, oder?

Hinweis und Bitte
Sind Sie schon KI-User? Wir möchten gerne mehr aus der Designpraxis wissen und haben daher eine kurze Online-Umfrage zum Thema aktiviert. Mitmachen dauert nicht lange, ist selbstverständlich anonym. Die Ergebnisse werden wir veröffentlichen. Die Umfrage ist eine Kooperation mit prompd.news

Autor Armin Scharf ist Design- und Technikjournalist, arbeitet u.a. für Hochparterre, Brandeins, md und das Design Center Baden-Württemberg. Zusammen mit Martin Krautter publiziert er den monatlichen Innovationsreader prompd.news.

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